Die Europäische Zentralbank (EZB) und das Europäische System der Zentralbanken (ESZB)
Der feine Unterschied zwischen ESZB und "Eurosystem"
Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB), die ihren Sitz in Frankfurt am Main hat, und den nationalen Zentralbanken aller 27 EU-Mitgliedstaaten. Solange allerdings nicht alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union den Euro eingeführt haben, steht die Aufgabe, über die Stabilität des Euro zu wachen und entsprechend zu handeln, nur der EZB und den nationalen Zentralbanken der 19 Euroländer zu. Für diesen Teil des ESZB hat sich der Begriff "Eurosystem" eingebürgert.
Es die Aufgabe des Eurosystems für die Stabilität des Euro zu sorgen und in diesem Rahmen:
- die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets festzulegen und auszuführen,
- Devisengeschäfte durchzuführen,
- die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten,
- das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern.
Die EZB nimmt gegenüber der Europäischen Union und den nationalen Behörden in Fragen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, eine beratende Rolle wahr.
Herzstück der Wirtschafts- und Währungsunion ist die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main. Die Kompetenz für die Politik des stabilen Geldes liegt beim Rat der Europäischen Zentralbank. In diesem Gremium sind mit den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationalen Notenbanken der Euroländer diejenigen versammelt, die die Verantwortung für die Stabilität des Geldes tragen. Dort laufen die Fäden zusammen, um die Geldpolitik für den Eurowährungsraum festzulegen.
Der EZB-Rat tagt zweimal im Monat. Mit dem Beitritt Litauens zum Eurogebiet im Jahr 2015 gilt ein neues Abstimmungsverfahren, nach dem der Bundesbankpräsident nicht mehr bei allen geldpolitischen Sitzungen stimmberechtigt ist. Das deutsche Stimmrecht rotiert monatlich in einer Gruppe mit den Stimmen der Präsidenten der Zentralbanken von Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden. Dies sind die nach ihrer Wirtschaftskraft und der Bedeutung ihres Finanzsektors größten Euro-Länder. Auf die fünf Zentralbankpräsidenten dieser Länder entfallen vier Stimmrechte im EZB-Rat. Auf die übrigen 14 nationalen Zentralbankpräsidenten entfallen insgesamt elf Stimmrechte. Die Mitglieder des EZB-Direktoriums dürfen jeden Monat abstimmen.
Das entscheidende Qualitätsmerkmal des ESZB soll seine Unabhängigkeit sein. So legt der Vertrag von Maastricht fest, dass weder die EZB, noch eine nationale Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane „Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen“ darf. Es ist tabu, „die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen“. Hierdurch wird die Geldpolitik dem direkten Zugriff der Politik entzogen (institutionelle Unabhängigkeit).
Weiterhin kann das ESZB, um seinen Stabilitätsauftrag zu erfüllen, die geldpolitischen Instrumente nach freiem Ermessen einsetzen (operative Unabhängigkeit). Zur Wahrung der personellen Unabhängigkeit werden die Mitglieder des EZB-Rats für eine lange Amtsperiode berufen: Die Amtszeit der Mitglieder des EZB-Direktoriums beträgt acht Jahre, Wiederernennung ist ausgeschlossen. Bei der erstmaligen Ernennung der Direktoriumsmitglieder im Jahr 1998 wurde die Amtszeit von vier bis acht Jahren gestaffelt. Hierdurch wird ein abrupter Leitungswechsel in der EZB vermieden. Der Bundesbankpräsident und seine europäischen Notenbankkollegen werden für mindestens fünf Jahre ernannt und können für eine weitere Amtszeit berufen werden.
Der politische Zugriff auf die Europäsiche Zentralbank wird durch ein weiteres Verbot abgewehrt. Es ist der Europäischen Zentralbank ausdrücklich untersagt, einzelnen Regierungen, öffentlichen Unternehmen oder EU-Institutionen Kredite zur Finanzierung von Haushaltsdefiziten zur Verfügung zu stellen.
Dieses Prinzip wurde allerdings 2012 durch die Entscheidung der EZB aufgeweicht, Anleihekäufe im Rahmen von "Outright Monetary Transactions" (OMT) zu gestatten. Die EZB kann dadurch Staatsanleihen von Euro-Ländern aufkaufen - und bewegt sich so ganz nah an der Grenze zur Staatsfinanzierung. Die Deutsche Bundesbank stimmte zwar gegen diese Entscheidung, konnte sich aber im Rat der Europäischen Zentralbank nicht durchsetzen. im Rahmen der Corona-Krise wurde das Mandat der EZB zum Anleihekauf auf 750 Milliarden gesteigert.
Die Deutsche Bundesbank hält die im Vertrag verankerte Unabhängigkeit des ESZB für eine sehr wichtige Grundlage zur Sicherung der Stabilität des Euro: "Insbesondere das Statut für das künftige Europäische Zentralbanksystem dürfte die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass die Geld- und Währungspolitik in der Währungsunion stabilitätsorientiert geführt werden kann".
Die Kandidaten für das Direktorium der EZB müssen Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Eurozone sein. Sie werden von den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten auf Empfehlung des Ministerrats einvernehmlich ausgewählt und ernannt. Zuvor stellen die Kandidaten sich einer Anhörung durch das Europäische Parlament und den EZB-Rat.
Eine Amtsenthebung ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen für die Ausübung des Amtes nicht mehr erfüllt werden oder im Falle einer schweren Verfehlung. In diesem Zusammenhang ist der Europäische Gerichtshof für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zuständig.
Entscheidungen werden im Eurosystem zentral von den Beschlussorganen der EZB, dem EZB-Rat und dem Direktorium, getroffen. Solange es Mitgliedstaaten gibt, die den Euro noch nicht eingeführt haben, besteht der Erweiterte Rat als drittes Beschlussorgan.
Der EZB-Rat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der NZBen der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt, d.h. derjenigen Länder, die den Euro eingeführt haben. Die Hauptaufgaben des EZB-Rats bestehen darin,
- die Leitlinien und Entscheidungen zu erlassen, die notwendig sind, um die Erfüllung der dem Eurosystem übertragenen Aufgaben zu gewährleisten,
- die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets festzulegen, gegebenenfalls einschließlich von Entscheidungen in Bezug auf geldpolitische Zwischenziele, Leitzinssätze und die Bereitstellung von Zentralbankgeld im Eurosystem sowie
- die Leitlinien zu erlassen, die für ihre Ausführung notwendig sind.
Das Direktorium besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern, die alle aus dem Kreis von in Währungs- oder Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten ausgewählt wurden. Sie werden einvernehmlich durch die Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs auf Empfehlung des EU-Rats, der hierzu das Europäische Parlament und den EZB-Rat anhört, ernannt. Die Hauptaufgaben des Direktoriums sind:
- die Ausführung der Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Entscheidungen des EZB-Rats sowie die Erteilung der erforderlichen Weisungen an die NZBen und
- die Ausübung bestimmter vom EZB-Rat übertragener Befugnisse.
Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der EZB sowie den Präsidenten der NZBen aller 15 Mitgliedstaaten. Der Erweiterte Rat nimmt die Aufgaben wahr, die die EZB vom EWI übernommen hat und welche aufgrund der für einen oder mehrere Mitgliedstaaten geltenden Ausnahmeregelung in der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) noch durchzuführen sind. Der Erweiterte Rat wirkt auch mit bei:
- der Wahrnehmung der beratenden Funktionen der EZB,
- der Erhebung von statistischen Daten,
- der Erstellung der Jahresberichte der EZB,
- der Festlegung der für die Vereinheitlichung des Rechnungswesens und der Berichterstattung der von den NZBen durchgeführten Geschäfte erforderlichen Regelungen,
- allen zusätzlich zu den bereits im EG-Vertrag festgelegten Maßnahmen zur Festlegung des Schlüssels für die Kapitalzeichnung der EZB,
- der Festlegung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB und
- den Vorarbeiten, die erforderlich sind, um für die Währungen der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, die Wechselkurse gegenüber dem Euro unwiderruflich festzulegen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss die Gründe für ihre Entscheidungen offen und klar darlegen. Daher veröffentlicht die EZB wöchentlich einen konsolidierten Finanzausweis des Eurosystems, aus dem die geldpolitischen Transaktionen und die Finanztransaktionen des Eurosystems der jeweils vorangegangenen Woche ersichtlich sind. Weitere Einzelheiten zur Einschätzung der Wirtschaftslage und der künftigen Preisentwicklung seitens des EZB-Rats enthält der Monatsbericht der EZB, der in allen elf Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaft erhältlich ist.
Ferner muss sie dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union, der Europäischen Kommission und den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU-Rat) einen Jahresbericht über Tätigkeit und die Geldpolitik im vergangenen und im laufenden Jahr vorlegen.
Das Europäische Parlament kann eine allgemeine Aussprache über den von der EZB erstellten Jahresbericht anberaumen. Der Präsident der EZB und die anderen Mitglieder des Direktoriums können – auf Ersuchen des Europäischen Parlaments oder aus eigener Initiative – den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments dazu ihren Standpunkt vortragen. Entsprechende Anhörungen finden im Allgemeinen einmal pro Quartal statt.
Die Europäische Kommission ist berechtigt, einen Vertreter zu den Sitzungen des EZB-Rats und des Erweiterten Rats zu entsenden, der jedoch kein Stimmrecht besitzt. In der Regel wird die Kommission durch das für Wirtschaft und Finanzen zuständige Kommissionsmitglied vertreten.
Zwischen der EZB und dem EU-Rat besteht eine wechselseitige Kooperation. Einerseits kann der Präsident des EU-Rats an den Sitzungen des EZB-Rats und des Erweiterten Rats teilnehmen und Vorschläge zur Erörterung durch den EZB-Rat einbringen. Er hat jedoch kein Stimmrecht. Andererseits wird der Präsident der EZB zu den Sitzungen des EU-Rats eingeladen, wenn dieser über Angelegenheiten berät, die die Ziele und Aufgaben des ESZB betreffen.