Werden sich Löhne und Sozialabgaben in der EWU angleichen?
Stärkerer Standortwettbewerb denkbar
Mit der Euro-Einführung gleichen sich nicht automatisch die Löhne und Sozialabgaben im Euroland einander an. Tendenziell führt jedoch die verstärkte wirtschaftliche, politische und sozialpolitische Zusammenarbeit in Europa zu einer gewollten wirtschaftlichen Annäherung auf einem hohen Niveau.
Die gemeinsame Währung in Europa wird für die Tarifparteien vor allem eines ändern. Sie werden zunehmend gezwungen sein, über den nationalen Tellerrand auf den europäischen Binnenmarkt zu schauen. Denn mit dem Euro wird der Wettbewerb europaweit zunehmen, Lohn- und Gehaltsentwicklungen in den Nachbarländern transparenter.
Sind die Produktivitätssteigerungen in Frankreich höher als in Deutschland, könnten die Löhne in Paris schneller als in Berlin steigen, ohne dass für den Arbeitgeber die Lohnstückkosten steigen und ohne dass er seine Wettbewerbsfähigkeit einbüßt.
Weil die Euro-Teilnehmerstaaten überhöhte Lohnsteigerungen nicht mehr durch die Abwertung ihrer Währung ausgleichen können, könnte es in der EWU, künftig auch bei den Löhnen einen noch stärkeren Standortwettbewerb der Länder geben als bisher. Das wird den Tarifparteien eine Neuausrichtung ihrer Konzepte abverlangen. Sie werden ihre nationale Sichtweise aufgeben müssen und sich immer mehr europäisch ausrichten.
Nach einer IFO-Studie werden "Lohnsteigerungen, die gemessen am jeweiligen Produktivitätszuwachs höher ausfallen, als in konkurrierenden Euro-Staaten, mit dem Verlust von Marktanteilen und höherer Arbeitslosigkeit bestraft". Eine verstärkte grenzüberschreitende Koordinierung auch der Gewerkschaftspolitiken scheint in Zukunft unumgänglich. Eine solche Zusammenarbeit auf Gewerkschaftsebene zur Koordinierung der Tarifpolitik wird seit einigen Jahren erfolgreich zwischen Nordrhein-Westfalen, den Niederlanden und Belgien praktiziert.
Im Prinzip gilt auch für Steuern und Sozialabgaben: Sie werden zwar weiterhin von den nationalen Regierungen oder den Sozialpartnern beschlossen werden, aber immer stärker im Standortwettbewerb stehen.
Eine Steuerangleichung auf allen Gebieten wird es in der europäischen Union nicht geben. Sie ist weder sinnvoll noch durchsetzbar. Einen Wettbewerb der unterschiedlichen Steuersysteme soll es im bestimmten Rahmen auch im Euroraum geben. Was die Mitgliedstaaten allerdings anstreben ist eine Angleichung von einzelnen Steuern. So sollen die sogenannten Steueroase geschlossen, eine einheitliche Kapitalertragssteuer eingeführt und der schädliche Steuerdumping bekämpft werden. Steuerdumping kann den fairen Wettbewerb und den Wirtschaftsverkehr im europäischen Binnenmarkt verzerren. Die unzureichende Angleichung der Steuerpolitik verhindert die vollständige Ausschöpfung der potentiellen Vorteile des Binnenmarktes.