Warum nehmen die Briten nicht an der Währungsunion teil? (Archiv)
Dieser Text ist ein Archivtext, er wird nicht mehr aktualisiert. Großbritannien ist nicht mehr Mitglied der Europäischen Union.
Grundsätzlich mussten die EU-Staaten, die die Konvergenzkriterien erfüllten, den Euro zum 1.1.1999 einführen - dies besagt der Vertrag von Maastricht. Lediglich Großbritannien und Dänemark hatten sich die Möglichkeit offengehalten, nicht an der Währungsunion teilzunehmen – und zwar auch wenn sie die Konvergenzkriterien erfüllen sollten (Opting-Out-Klausel). Die britische Regierung wird die Entscheidung über eine Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion einer Volksabstimmung überlassen.
Die britische Regierung argumentierte, dass sich das Land in einem anderen Stadium des Wirtschaftszyklus befände als der Rest der EU. Lebenswichtige Bereiche der britischen Wirtschaft seien noch nicht bereit. Großbritannien ist bisher auch nicht Mitglied im Europäischen Währungssystem II. Eine zweijährige Mitgliedschaft ist Voraussetzung für die Euro-Einführung.
Großbritannien setzt mit seiner euroskeptischen Haltung seine europapolitische Traditionslinie fort. Die Insel verhielt sich bisher bei allen richtungsweisenden Entscheidungen zunächst eher abwartend. Großbritannien trat erst 1973 der EG bei, wollte am EU-Binnenmarkt zunächst nicht teilnehmen und das Sozialprotokoll des Maastrichter Vertrages nicht übernehmen. Nach einer Zeit des Abwägens hat sich das Land bisher aber immer dazu entschlossen, einen zunächst sehr kritisch beurteilten Integrationsschritt dann doch mitzugehen.
Finanzkrise: Verfall britischer Währung treibt Debatte über Euro
Ließe sich der Nationalstolz der Briten an einem Wechselkurs-Diagramm ablesen, dann wäre er nach einem steilen Sturzflug völlig im Keller. Auf immer neue Tiefstände rauscht die geliebte britische Währung, das Pfund. Arm dran sind alle Briten, die dieses Jahr ihren Skiurlaub im Euro-Land verbringen möchten. König dagegen ist, wer jetzt mit Euro in der Tasche auf die Insel reist. Ein Ausflug zu Weihnachten ins Luxuskaufhaus Harrods kann da fast schon zur Schnäppchentour werden.
Diese Woche näherte sich das Pfund sogar dem Wechselkurs von 1:1 zum Euro. Ein Schock für die Briten, die wegen der Finanzkrise sowieso schon arg gebeutelt sind. Die Euroskeptiker von der Insel sind nun so nahe an der Einführung des Euros wie noch nie.
Das mag vielleicht etwas übertrieben klingen. Aber der Verfall des Pfundes ist dramatisch, und die Frage, ob Großbritannien unter dem Schirm des ungeliebten Euros in der Finanzkrise nicht besser dran wäre, haben sich wohl viele Politiker heimlich schon gestellt. Bekam der Reisende diese Woche am Eurostar-Bahnhof in London für 100 Pfund nur noch 103 Euro, waren es vor acht Jahren noch 65 Euro mehr, rechneten Zeitungen den verunsicherten Briten vor. Von einer «Katastrophe» und einem «Debakel» war die Rede. Am Donnerstag sank das Pfund offiziell auf 1,127 Euro - einem Tiefststand seit der Einführung des Euro als Buchgeld im Jahr 1999.
Penibel achtet Premierminister Gordon Brown nun darauf, nicht vorschnell in eine Euro-Debatte gezogen zu werden. Das sei derzeit kein Thema, wischte der Premier die Bemerkungen von Barroso kürzlich zur Seite. Sein Wirtschaftsminister Peter Mandelson dagegen lieferte neuen Gesprächsstoff. Auf lange Sicht sei der Beitritt zur Euro-Zone angepeilt, sagte er. Nur jetzt, da wolle noch niemand etwas vom Euro wissen. Doch das Thema ist auf dem Tisch: «Man kann die Menschen nicht vom Denken abhalten», sagte der Ökonom Will Hutton. Der Euro lauert sozusagen im Vorzimmer der Downing Street.
Denn die Aussichten sind weiter trüb. Die Englische Notenbank senkte die Zinsen zuletzt auf zwei Prozent - so tief wie seit 57 Jahren nicht. Und niedrige Zinsen machen es für Investoren weniger attraktiv, Pfund zu halten. Auch wird erwartet, dass das Vereinigte Königreich im kommenden Jahr in die Rezession rutscht. Die erwartete hohe Staatsverschuldung ruft zudem Zweifler auf den Plan. Da ist auch die Aussicht, dass mit einem schwachen Pfund britische Exporte gefragter sind, nicht tröstlich. Denn Großbritannien lebt nicht von der Industrie sondern hauptsächlich vom Dienstleistungssektor.
Neben den Euro-Verdienern (den «glücklichsten Menschen der Welt», formulierte es ein Moderator der BBC) freut sich die Tourismusindustrie im Lande über den Verfall der Währung. «Das sind in gewisser Weise gute Nachrichten für uns», sagte PR-Manager Elliott Frisby vom Fremdenverkehrsamt Visit Britain, «wir werden die Leute in Deutschland oder Frankreich nun darauf hinweisen, dass es super Angebote für Großbritannien gibt.»