Diplome

Durchbruch durch gegenseitige Anerkennung

Obwohl EU-Bürger bereits seit 1968 überall in der Union arbeiten dürfen, klaffte bis weit in die achtziger Jahre hinein eine erhebliche Lücke zwischen geschriebenem Recht und gelebter Wirklichkeit. Die Arbeitsaufnahme in einem anderen EU-Land war oft nicht möglich, weil Ausbildungsgänge und Berufsabschlüsse sehr unterschiedlich waren. Erst mit dem Binnenmarkt gelang der Durchbruch: Diplome werden heute gegenseitig anerkannt.

In einzelnen Berufen, vor allem im medizinischen Bereich, hatte die EG in den 70er Jahren Richtlinien für die Anerkennung der Diplome erlassen. Bereits seit 1976 können Ärzte sich in EU-Staaten niederlassen. Seit 1979 erlaubt eine Richtlinie Rechtsanwälten, gemeinsam mit einem Rechtsanwalt des Aufnahmelandes zu plädieren und allein oder zusammen mit anderen Anwälten juristische Dienstleistungen zu erbringen. Bei der Erarbeitung dieser Richtlinien wurde jedoch deutlich, dass für den Großteil der Berufe eine Harmonisierung schwierig ist. So dauerte es 17 Jahre, bis die Richtlinie zur Anerkennung der Diplome von Architekten unter Dach und Fach war.

Erst mit der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte gelang der Durchbruch: Im EU-Binnenmarkt ist die Anerkennung der Diplome nicht mehr von einer vorherigen Harmonisierung abhängig. Es gilt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens: Der Abschluss aus einem anderen Mitgliedstaat wird grundsätzlich anerkannt, wenn dort die Ausbildung nicht wesentlich anders verläuft als in dem Staat, in dem die Arbeit aufgenommen werden soll.

Seit Januar 1991 gilt die Richtlinie zur allgemeinen Anerkennung von Hochschuldiplomen. Die Richtlinie geht von der gegenseitigen Anerkennung der Hochschulabschlüsse aus, denen ein mindestens dreijähriges Hochschulstudium vorausgeht. Das Studium muss an einer Hochschule oder vergleichbaren Bildungseinrichtung absolviert worden sein. Hierzu gehören auch die Fachhochschulen. Lediglich der jeweils letzte Abschluss eines Ausbildungsganges wird anerkannt. Wenn die in einem anderen Mitgliedstaat absolvierte Ausbildung wesentlich von der entsprechenden inländischen Ausbildung abweicht, kann von dem Bewerber ein Anpassungslehrgang oder ein Eignungstest verlangt werden.

Im Anschluss an die Hochschulrichtlinie wurde eine "Zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise" erlassen. Von der Richtlinie sind vor allem Ausbildungsgänge erfasst, die zwischen einem und drei Jahren dauern. Hierzu gehören auch viele deutsche Berufsabschlüsse für Heil- und Pflegeberufe. Wie bei Hochschulabschlüssen kann ein Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung verlangt werden, wenn sich die Ausbildungen wesentlich unterscheiden.

Kompliziert wird die Lage noch dadurch, dass es weltweit immer mehr Qualifikationen gibt, dass viele unterschiedliche nationale Qualifikationssysteme und Bildungs- und Ausbildungsstrukturen vorhanden sind und dass sich bei diesen Systemen ständig Veränderungen ergeben. Um diese Hindernisse abzubauen, hat die EU mehrere Instrumente zur Erleichterung der Übertragung von Qualifikationen und Kompetenzen für akademische und berufliche Zwecke eingeführt.

Was die Transparenz und Anerkennung von Diplomen und Qualifikationen für akademische Zwecke betrifft, so erstreckt sich das Netz der Nationalen Informationszentren für Fragen der akademischen Anerkennung (National Academic Recognition Information Centres - NARIC), das auf Initiative der Kommission 1984 eingerichtet wurde, auf alle Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sowie auf alle assoziierten Länder in Mittel- und Osteuropa, auf Zypern und Malta. Die Zentren erteilen maßgebliche Ratschläge und Informationen zur akademischen Anerkennung von Diplomen und Studienaufenthalten im Ausland. Was dagegen die Transparenz und Anerkennung für berufliche Zwecke betrifft, so wird derzeit in den Mitgliedstaaten ein Netz von nationalen Referenzstellen für berufliche Qualifikationen als erste Anlaufstelle für Fragen zu beruflichen Qualifikationen aufgebaut.

Kommission und Mitgliedstaaten haben einige Instrumente zur Förderung der Übertragung und der Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen entwickelt:

  • die Zeugnisergänzung für die beruflichen Qualifikationen (Diplomzusatz);
  • das europäische Anrechnungs- und Übertragungssystem (European Credit Transfer System - ECTS) für die Anerkennung von Studienaufenthalten im Ausland;
  • das europäische Muster für Lebensläufe, das eine einfache und effektive Präsentation der jeweiligen Qualifikationen und Kompetenzen zum Ziel hat;
  • den europass-Berufsbildung: Pass, der die Kenntnisse und Erfahrungen festhält, die in formaler und nichtformaler Umgebung erworben bzw. gesammelt wurden.


Im Rahmen des "Brügge-Prozesses", einer verstärkten Zusammenarbeit in der Berufsbildung soll eine integrierte Strategie entwickelt werden, wobei die oben genannten Instrumente zur Förderung der Transparenz bei Zeugnissen und Diplomen in einem einzigen, benutzerfreundlichen Instrument zusammengeführt werden. Der Brügge-Prozess entspricht dem in Barcelona festgelegten Ziel, dass die europäischen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung bis 2010 zu einer weltweiten Qualitätsreferenz werden sollen. Er fördert die Entwicklung von Transparenz und gegenseitigem Vertrauen - indem auf diesen Grundsätzen eine bessere Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen aufgebaut wird - wie auch die Qualität der Berufsbildung in Europa, was Ruf und Ansehen angeht. Dieser „Bottom-up"-Ansatz wird derzeit unter vollständiger Einbeziehung der Sozialpartner erarbeitet, er wird die Festlegung von Qualifikationen und Kompetenzen auf Branchenebene fördern.

Die berufliche Anerkennung bei den reglementierten Berufen ist in einer Reihe von Richtlinien erfasst, die die Rechte der einzelnen Bürger im Bereich der Qualifikationen aufführen. Diese Richtlinien werden demnächst durch eine einzige Richtlinie für alle reglementierten Berufe abgelöst.

Wie funtioniert das ECTS (European Credit Transfer System)
Das "European Credit Transfer System", das ECTS ist ein System für die akademische Anerkennung und den Transfer von im Ausland erbrachten Studienleistungen und Abschlüssen. ECTS soll das Studium im Ausland für die Studierenden transparenter und berechenbarer machen und die Anerkennung der akademischen Leistungen durch die Heimathochschule verbessern helfen.

Grundgedanke des Systems ist es, für Studienleistungen sogenannte "Credits" zu vergeben. "Credits" sind Punkte, die den Arbeitsaufwand für einen abrechenbaren Studienabschnitt kennzeichnen. Anhand dieser Credits wird die Vergleichbarkeit von Studienleistungen unterschiedlichster europäischer Studieneinrichtungen erreicht. Credits können für alle abrechenbaren Studienleistungen vergeben werden, daß sind nicht nur besuchte Vorlesungsreihen mit anschließend bewältigten Prüfungen, auch Praktika, Diplomerarbeitung usw. können mit Credits honoriert werden. Wichtig ist letztlich, daß die Studienleistung abrechenbar und bewertbar ist. Es ist ausdrücklich zu unterstreichen, daß Credits nicht die Studienleistung an sich (die Benotung), sondern den Arbeitsaufwand bewerten!

Europapass Berufsbildung
Der EUROPASS-Berufsbildung wird seit Januar 2000 eingesetzt, um die grenzübergreifende Bildungszusammenarbeit zu verbessern und dient der Bescheinigung von Auslandsqualifikationen in der beruflichen Bildung. Er dokumentiert (zweisprachig) die Dauer der Auslandsqualifizierung, die im Ausland vermittelten Fachinhalte und - wo möglich - die Ausbildungsergebnisse. Der EUROPASS-Berufsbildung gilt für alle Formen der Berufsausbildung, die einen betrieblichen Ausbildungsteil enthalten, einschließlich solcher im Hochschulbereich. Er wird überwiegend in Zusammenhang mit den Mobilitätsprogrammen der EU eingesetzt.

Die Ratsentscheidung zum EUROPASS-Berufsbildung regelt die Rahmenbedingungen für die Bescheinigung von "europäischen Berufsbildungsabschnitten". Die europäischen Berufsbildungsabschnitte werden auf der Grundlage von Vereinbarungen der Ausbildungspartner aus dem Herkunfts- und Gastland durchgeführt und von einem Ausbilder begleitet. Die Ausbildungspartner legen dabei Inhalt, Ziele, Dauer und Modalitäten der Auslandsqualifizierung fest. Die Nutzung des EUROPASS-Berufsbildung ist aber freiwillig und ersetzt auch keine amtlichen Dokumente oder Zeugnisse.

Der Europass kann nicht von Einzelpersonen beantragt werden, sondern ausschliesslich von Betrieben bzw. Bildungseinrichtungen, die Aus- und Weiterbildungen im europäischen Ausland durchführen. Er kann sowohl bei der ZAV als auch bei einer der anderen 9 Ausgabestellen in Deutschland angefordert werden. Verantwortlich für den EUROPASS-Berufsbildung ist in Deutschland das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das auch eine Informationsbroschüre aufgelegt hat, die als PDF-Dokument heruntergeladen werden kann, ebenso eine Übersicht über Fördermöglichkeiten im deutsch-französischen Austausch.