Europäischer Rat
Die Staats- und Regierungschefs treffen sich
Der Europäische Rat wurde in den 1970er Jahren von Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt als Kaminrunde zu informellen Absprachen europapolitischer Positionen ins Leben gerufen. Inzwischen hat er sich zum wichtigsten politischen Entscheidungsgremium der EU entwickelt. Im Europäischen Rat treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Der Europäische Rat wird deshalb auch häufig als EU-Gipfeltreffen bezeichnet.
Zwei mal pro Halbjahr kommt der Europäische Rat in Brüssel zusammen, um die großen Leitlinien der Unionspolitik festzulegen und in strittigen Fragen europäischer Politik die letzte Entscheidung zu treffen. Mit dem Vertrag von Lissabon erfährt der Europäische Rat nun einen weiteren institutionellen Aufstieg. In Art. 13 EUV wird er erstmals als Organ der EU aufgeführt. Seine Führungsrolle wurde somit nochmals gestärkt.
Über den Europäischen Rat haben die Mitgliedstaaten einen großen Einfluss auf die Gestaltung der EU-Politik. Denn der Europäische Rat gibt Anstöße für die Weiterentwicklung der Union und legt die Leitlinien für die Politik fest. Er wirkt direkt auf die Arbeit des EU-Ministerrates ein. Er kann auch Aufträge an die Europäische Kommission richten. Viele konkrete wichtige Entscheidungen wie die Benennung der Präsidentin oder des Präsidenten der Europäischen Kommission werden hier getroffen. Der Europäische Rat ist eine bedeutende Schnittstelle von nationaler und europäischer Politik. Die deutsche Bundeskanzlerin bestimmt die Leitlinien der deutschen Europapolitik. Im Europäischen Rat hat sie großen Einfluss auf die Ausrichtung der europäischen Politik.
Zusammensetzung des Europäischen Rates
Der Europäische Rat setzt sich aus den Staats- oder Regierungschefs der jeweiligen Mitgliedstaaten, sowie dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der Europäischen Kommission zusammen. Der Präsident des Europäischen Rates und der Präsident der Europäischen Kommission haben bei Abstimmungen jedoch kein Stimmrecht. Außerdem nimmt der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik an den Treffen teil. Mit dem Vertrag von Lissabon sitzen die Außenminister nicht mehr im Europäischen Rat. Bei Bedarf kann der Europäische Rat aber durch entsprechende nationale Minister oder ein Mitglied der Kommission unterstützt werden.
Im Europäischen Rat treffen sich somit die führenden politischen Vertreter aller Mitgliedstaaten. Dabei handelt es sich gewöhnlich um die Regierungschefs, unabhängig davon, ob sie Premierminister, Kanzler oder anders genannt werden. In den Ländern, in denen der Präsident eine aktivere politische Rolle spielt, nimmt jedoch dieser an den Gipfeltreffen teil. Dies trifft beispielsweise auf Frankreich und Finnland zu.
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde das Prinzip der rotierenden Präsidentschaft aufgegeben. Bisher wechselten sich die Mitgliedstaaten alle sechs Monate mit der Präsidentschaft im Europäischen Rat ab. Nun bestimmt der Europäische Rat einen Präsidenten auf 2,5 Jahre. Dieser führt den Vorsitz, gibt wichtige Impulse und soll für Kontinuität und Konsens im Europäischen Rat sorgen. Außerdem übernimmt er die Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Aktuell begleitet der Belgier Herman Van Rompuy dieses Amt.
Aufgaben und Arbeitsweise des Europäischen Rates
Der Europäische Rat ist das Leitungsorgan der Union. Er „gibt der EU die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt hierfür allgemeine politischen Zielvorstellungen und Prioritäten fest." (Art. 15, 1 EUV). Der Europäische Rat gibt somit Anstöße für die Weiterentwicklung der Union und legt die Leitlinien für die EU-Politik fest. Er wird deshalb oft als Architekt der EU bezeichnet. Die politischen Grundsatzentscheidungen, die er in seinen Schlussfolgerungen zusammenfasst, gehen über eine politische Verbindlichkeit jedoch nicht hinaus. Der Europäische Rat besitzt somit zwar ein Weisungsrecht, dieses ist aber nicht rechtsverbindlich.
Dennoch sind die Entscheidungen, die im Europäischen Rat getroffen werden, auf politischer Ebene äußerst bedeutend. Oft stellen sie einen wichtigen Indikator für die allgemeine Handlungs- und Integrationsfähigkeit der EU dar. Aufgrund der Richtlinienkompetenz, welche die meisten Staats- und Regierungschefs in ihrem Land besitzen, gelten die Entscheidungen, die sie im Europäischen Rat getroffen haben, zumeist auch als Wegweißer für die entsprechenden Treffen im Ministerrat.
Der Europäische Rat ist - im Gegensatz zum Europäischen Parlament und zur Europäischen Kommission - eine zwischenstaatliche Einrichtung. Über ihn erhalten die einzelnen Mitgliedstaaten einen großen Einfluss auf die Gestaltung der EU-Politik. Die deutsche Bundeskanzlerin setzt die Leitlinien der deutschen Europapolitik fest. Im Europäischen Rat kann sie die Ausrichtung der europäischen Politik mitbestimmen. Der Europäische Rat somit ist eine bedeutende Schnittstelle von nationaler und europäischer Politik.
Im Europäischen Rat erfolgt die Beschlussfassung in der Regel einstimmig und im Konsens. Jeder Mitgliedstaat besitzt eine Stimme. Wenn ein Mitgliedstaat mit einer Entscheidung nicht einverstanden ist, kann er von seinem Vetorecht Gebrauch machen und das Vorhaben damit blockieren. Es ist in der Tat nicht einfach, alle 27 Staats- und Regierungschefs auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In der Vergangenheit sind so schon viele Pläne gescheitert. Deshalb hat sich im Europäischen Rat folgendes Prinzip etabliert: Bei den Treffen des Europäischen Rates werden sogenannte 'Verhandlungspakete' geschnürt, bei denen Forderungen und Angebote aus verschieden Politikbereichen gegeneinander verrechnet werden. Das Motto lautet: Eine Hand wäscht die andere. Es gilt schließlich, die unterschiedlichen Wünsche und Auffassungen der Mitgliedstaaten durch Kompromisse auf einen europäischen Kurs zu bringen.