Europäisches Parlament

Die demokratische Vertretung der Bürgerinnen und Bürger

Das Europäische Parlament (EP) ist die direkt gewählte demokratische Vertretung der Bürger der Europäischen Union. Das Europäische Parlament besitzt zwar nicht die gleichen Rechte wie nationale Parlamente, seine Befugnisse wurden im Laufe der Zeit aber schrittweise erweitert. So hat sich das Europäische Parlament von einer beratenden Versammlung mit eher geringem politischem Gewicht zu einem der Hauptorgane im institutionellen Gefüge der EU entwickelt. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde sein Einfluss auf die europäische Politik nun nochmals aufgewertet.

Abgeordnete und Arbeitsorte des Europäischen Parlaments
Seit 1979 werden die Europaabgeordneten alle fünf Jahre in allgemeinen und direkten Wahlen gewählt. Da es kein einheitliches europäisches Wahlrecht gibt, wählen die EU-Bürger nach den jeweiligen nationalen Wahlordnungen. Eine Reihe von demokratischen Regeln ist jedoch allen Ländern gemeinsam. Die wichtigsten sind das Wahlrecht mit 18 Jahren, die Gleichheit von Männern und Frauen sowie das Wahlgeheimnis.

Das Wahlrecht zum Europäischen Parlament knüpft an den Wohnsitz und nicht an die Staatsbürgerschaft der Wahlberechtigten an. Jeder Bürger der Europäischen Union kann im Land seines Wohnsitzes an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen. Der in Spanien lebende Deutsche kann also dort zur Europawahl gehen kann. Er kann wählen (aktives Wahlrecht), aber auch gewählt werden (passives Wahlrecht).

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Zahl der EU-Abgeordneten auf 751 reduziert. Die Sitze werden hierbei nach dem Prinzip der degressiven Proportionalität verteilt. Die Mindestabgeordnetenzahl liegt bei 6 (Malta), die Höchstzahl bei 96 (Deutschland). Die Staaten mit weniger Einwohner sind somit überproportional im Europäischen Parlament vertreten, während die Staaten mit den höchsten Bevölkerungsanteilen unterrepräsentiert sind. So vertritt ein Abgeordneter aus Malta rund 80 000 Bürger, ein Parlamentarier aus Deutschland rund 800 000 Bürger.

Sitze im Europäischen Parlament pro EU-Mitgliedstaat
    
Belgien22Niederland26
Bulgarien18Östereich19
Dänemark13Polen51
Deutschland96Portugal22
Estland6Rumänien33
Finnland13Schweden20
Frankreich74Slowakei13
Griechenland22Slowenien8
Irland12Spanien54
Italien73Tschechische Republik22
Lettland9Ungarn22
Litauen12Vereinigtes Königreich73
Luxemburg6Zypern6
Malta6Insgesamt751

 

Für die aktuelle Legislaturperiode 2009-2014 gibt es jedoch eine Sonderregelung. Schon im Vorfeld zu den Europawahlen im Juni 2009 hatte man sich für den Fall, dass der Reformvertrag in Kraft tritt, auf eine Übergangsregelung geeinigt. Diejenigen Mitgliedstaaten, deren Abgeordnetenzahl laut dem neuen Vertrag erhöht wird, dürfen entsprechend Vertreter nachschicken. Deutschland, das als einziges Land drei Abgeordnete weniger stellen wird, darf diese bis zu den nächsten Wahlen 2014 behalten. Deshalb zählt das Europäische Parlament zurzeit noch 754 Abgeordnete.

Die Europaabgeordneten erhalten dieselben Diäten wie die nationalen Parlamentarier ihrer Herkunftsländer. Diese Diäten werden von den Mitgliedstaaten an die Abgeordneten ausgezahlt. Das Parlament strebt jedoch ein gemeinsames Statut für alle europäischen Abgeordneten an, das die gegenwärtige unterschiedliche Behandlung je nach Mitgliedstaat beseitigt.

Die große Mehrheit der Abgeordnete gehört einer Fraktion an. Dabei handelt es sich nicht um nationale, sondern parteipolitische Zusammenschlüsse. Zur Bildung einer Fraktion müssen sich mindestens 25 Abgeordnete aus sieben Mitgliedstaaten zusammenschließen. Zu den größten Fraktionen zählen die EVP-ED (Fraktion der europäischen Volkspartei und europäischen Demokraten), die SPE (Fraktion der sozialistischen Partei Europas) und die Grüne / EFA (Fraktion der Grünen / Freie europäische Allianz).

Außerdem untergliedert sich das Europäische Parlament in Ausschüsse. Diese Ausschüsse dienen den Abgeordneten zur Beratung und Meinungsbildung und bereiten die Parlamentsarbeit entsprechen vor. Man unterscheidet hierbei zwischen ständigen Ausschüssen und nichtständige Ausschüsse (z.B. zum Klimawandel).

Liste der ständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments
  
BUDGHaushaltsausschuss
CONTHaushaltskontrollausschuss
ECONHaushalt für Wirtschaft und Währung
EMPLAusschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
ENVIAusschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit
ITREAusschuss für Industrie, Forschung und Energie
IMCOAusschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz
TRANAusschuss für regionale Entwicklung
REGIAusschuss für Regionalpolitik, Verker und Fremdenverkehr
AGRILandwirtschaftsausschuss
PECHFischereiausschuss
CULTAusschuss für Kultur und Bildung
JURIREchtsausschuss
LIBEAusschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
AFCOAusschuss für konstitutionelle Fragen
FEMMAusschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
PETIPetitionsausschuss
AFETAusschuss für auswärtige Angelegenheiten
DROIUnterausschuss Menschenrechte
SEDEUnterausschuss für Sicherheit und Verteidigung
DEVEEntwicklungsausschuss
INTAAusschuss für internationelen Handel


Das Europäische Parlament wird von seinem Präsidenten geleitet und von ihm nach außen vertreten. Für die erste Hälfte der Legislaturperiode 2009-2014 wurde der Pole Jerzy Buzek zum Präsident gewählt. Er wird von einem Präsidium unterstützt. Das Präsidium ist das administrative Leitungsorgan des Hauses und zuständig für den Haushalt des Parlaments sowie für Personal- und Organisationsfragen. Ihm gehören neben dem Präsidenten 14 Vizepräsidenten sowie fünf Quästoren mit beratender Stimme an. Die Quästoren befassen sich mit Verwaltungsfragen und Finanzfragen, die unmittelbar die Mitglieder betreffen. Die Konferenz der Präsidenten ist das politische Leitungsorgan des Parlaments, dem der Präsident und die Fraktionsvorsitzenden angehören. Die Amtszeit des Präsidenten, der Vizepräsidenten und der Quästoren beträgt zweieinhalb Jahre.

Das Europäische Parlament hat seinen Sitz in Straßburg. Dort hält es auch die 12 monatlichen Plenarsitzungen ab. Zusätzliche Plenartagungen sowie die Ausschuss- und Fraktionssitzungen finden in Brüssel statt. Das Generalsekretariat befindet sich in Luxemburg. Aufgrund der drei Arbeitsorte wird das Parlament in den Medien auch als 'Wanderzirkus' bezeichnet.

Die Gestaltungsrechte des Europäischen Parlaments
Der Vertrag von Lissabon hat die Kompetenzen des Europäischen Parlaments in vielen Bereichen erweitert und seine Stellung im institutionellen Gefüge der EU gestärkt. Zu den drei wichtigsten Aufgaben des Parlaments zählenGesetzgebung, Mitwirkung in der Haushaltsbehörde und Kontrolle der anderen Organe.

Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren: Das Europäische Parlament ist an der Ausarbeitung und Annahme der gemeinschaftlichen Rechtsakte (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen) entsprechend der jeweils gewählten Rechtsgrundlage in unterschiedlichem Maße beteiligt. Im Reformvertrag wird das bisherige „Mitentscheidungsverfahren" als „ordentliches Gesetzgebungsverfahren" aufgeführt und somit zum Regelfall deklariert. Das Europäische Parlament wird als Gesetzgebungsinstanz deutlich aufgewertet.

Beim ordentlichen Gesetzgebungsverfahren werden die europäischen Gesetze nach einem mehrstufigen Verfahren zwischen Rat und Parlament beschlossen. Es erinnert an das Ablaufschema zwischen Bundesrat und Bundestag bei zustimmungspflichtigen Gesetzen. Bei diesem Verfahren ist das Parlament dem Rat gleichgestellt. Nur wenn sich beide Organe einig sind, wird der Rechtsakt angenommen. Können sich Rat und Parlament in der ersten Lesung nicht einigen, versucht ein Vermittlungsausschuss, einen Kompromiss zu erarbeiten. Gelingt dies nicht, so kann das Parlament den Rechtsakt mit absoluter Mehrheit zu Fall bringen.

Mit dem Vertrag von Lissabon fallen etwa 40 zusätzliche Politikbereiche unter dieses Verfahren und garantieren dem Europäischen Parlament in vielen Fällen die gleichen Rechte wie dem Ministerrat. Zu diesen Bereichen gehören Landwirtschaft, Energie, Einwanderung, Justiz und Inneres, Gesundheit und Strukturfonds. Zukünftig bedürfen auch alle internationalen Abkommen, die die EU abschließt, der Zustimmung der Europa-Abgeordneten. Insgesamt werden etwa 95 Prozent der Rechtsakte gemeinsam vom Rat und Europäischem Parlament im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren entschieden.

In einigen Politikbereichen hat das Europäische Parlament deutlich weniger Mitspracherechte. Dort hat es nur ein Anhörungsrecht. Das Verfahren der Konsultation sieht vor, dass das Europäische Parlament in bestimmten Bereichen angehört werden muss. Neben den obligatorischen Anhörungen hat sich in der Praxis die Gewohnheit entwickelt, das Parlament auch in nicht zwingend vorgeschrieben Fällen anzuhören. Vor allem in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) liegen die Kompetenzen immer noch fast ausschließlich beim Europäischen Rat und dem Rat. Das Europäische Parlament muss zwar informiert werden und kann Stellungnahmen abgeben. Mehr als eine beratende Rolle kommt ihm in diesem Fall jedoch nicht zu.

In sehr geringem Maße verfügt das Europäische Parlament auch über ein legislatives Initiativrecht. Dieses beschränkt sich auf die Möglichkeit, von der Kommission die Vorlage eines Vorschlags zu fordern. Die Kommission ist daran jedoch nicht gebunden.

Teil der Haushaltsbehörde: Zusammen mit dem Rat bildet das Europäische Parlament die Haushaltsbehörde. Der Vertrag von Lissabon schreibt dem Parlament auch in diesem Bereich eine größere Rolle zu. Da die Unterteilung in obligatorische und nichtobligatorische Ausgaben-Arten abgeschafft worden ist, bestimmt das Europäische Parlament nun gleichberechtigt mit dem Ministerrat über den gesamten EU-Haushalt.

Kontrollbefugnisse: Das Europäische Parlament hat eine wichtige Kontrollfunktion. Es übt eine demokratische Kontrolle über alle Organe, insbesondere gegenüber der Europäischen Kommission, aus.

Das Europäische Parlament hat das Recht, der Kommission im Laufe ihrer Amtszeit sein Misstrauen auszusprechen. Die Annahme eines Misstrauensantrags, für die es die absolute Mehrheit der Abgeordneten und zwei Drittel der abgegebenen Stimmen bedarf, zwingt die Kommission zum Rücktritt. Alle Mitglieder der Kommission müssen dann geschlossen ihr Amt niederlegen. Bisher wurden erst sieben Misstrauensanträge gestellt, wovon jedoch keiner angenommen wurde. Schon die Androhung dieses Mittels hat aber in der Vergangenheit eine äußerst abschreckende Waffe dargestellt.

Außerdem verfügt das Europäische Parlament über ein allgemeines Fragerecht.Die parllamentarischen Anfragen, die schriftlich oder mündlich erfolgen können, müssen von der Kommission und dem Rat beantwortet werden.

Das Parlament kann auch einen nichtständigen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um behauptete Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht oder Missstände bei der Anwendung desselben zu prüfen. Im Falle einer Vertragsverletzung durch ein anderes Organ kann das Europäische Parlament dann Klage beim Europäischen Gerichtshof erheben. Im Rahmen einer Untätigkeitsklage kann es ein Organ beim Gerichtshof wegen Unterlassung einer Beschlussfassung verklagen. Das Parlament kann eine Nichtigkeitsklage anstrengen, wenn es einen Rechtsakt für nicht zulässig hält.

Mit der Einrichtung eines Europäischen Bürgerbeauftragten schafft das Parlament eine allgemeine Beschwerdeinstanz für EU-Bürgern. Beim aktuellen Ombudsmann Nikiforos Diamandouros können die EU-Bürger eine Beschwerde über Missständen bei den Organen und Institutionen einreichen. Beim Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments können sowohl Einzelanliegen als auch Angelegenheiten von allgemeinen Interesse vorgetragen werden, die in den Tätigkeitsbereich der Europäischen Union fallen.