Risikoausgleichssystem der privaten KV in Irland gebilligt
Ein derartiger Mechanismus ist zur Entschädigung der Versicherer erforderlich
Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache T-289/03
British United Provident Association Ltd (BUPA) u. a. / Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Das Gericht bestätigt die Entscheidung der Kommission, mit der das Risikoausgleichssystem auf dem irischen Markt der privaten Krankenversicherung gebilligt wurde.
Ein derartiger Mechanismus ist zur Entschädigung der Versicherer, die verpflichtet sind, alle in Irland lebenden Person unabhängig von ihrem Gesundheitszustand, ihrem Alter oder ihrem Geschlecht zum gleichen Preis zu versichern, erforderlich und stellt ein verhältnismäßiges Mittel dar.
Zwischen 1957 und 1996 war der Voluntary Health Insurance Board (Rat der freiwilligen Krankenversicherung, im Folgenden: VHI) auf dem irischen Markt der privaten Krankenversicherung (im Folgenden: PK-Markt) der einzige Anbieter. Zwischen 1994 und 1996 wurde der irische PK-Markt liberalisiert, und am 1. Januar 1997 nahm BUPA Ireland seine Tätigkeit auf. Derzeit ist BUPA der Hauptkonkurrent des VHI.
Die Vorschriften, mit denen der Sektor liberalisiert wurde, sahen die Errichtung eines von der Health Insurance Authority (Krankenversicherungsbehörde, im Folgenden: HIA) verwalteten Risikoausgleichssystems (im Folgenden: RES) vor. Das RES ist im Wesentlichen ein Mechanismus, der zum einen vorsieht, dass die privaten Krankenversicherer (im Folgenden: PK-Versicherer), die ein günstigeres als das durchschnittliche Risikoprofil des Marktes aufweisen, an die HIA eine Abgabe zu zahlen haben, und zum anderen, dass die HIA eine entsprechende Zahlung an diejenigen PK-Versicherer zu leisten hat, die ein schlechteres als das durchschnittliche Risikoprofil des Marktes aufweisen. Der bestehende Mechanismus sieht verschiedene Schwellenwerte für die Auslösung von Zahlungen nach dem RES vor. Unter den derzeitigen Umständen würde die Anwendung des RES im Wesentlichen dazu führen, Mittel von BUPA auf den VHI zu übertragen.
Am 23. Januar 2003 meldeten die irischen Behörden das RES förmlich gemäß den Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen bei der Kommission an. Am 13. Mai 2003 beschloss die Kommission, gegen die Errichtung des RES keine Einwände zu erheben. Sie entschied, dass der über das RES gewährleistete Ausgleich eine Entschädigung sei, die einen Ausgleich für Verpflichtungen zur Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse schaffen solle, d. h. für Verpflichtungen, die darauf abzielen, für alle in Irland lebenden Personen unabhängig von ihrem Gesundheitszustand, ihrem Alter oder ihrem Geschlecht zum gleichen Preis ein Mindestniveau von Leistungen der privaten Krankenversicherung (im Folgenden: PK-Verpflichtungen) sicherzustellen.
BUPA hat beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung geklagt.
Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht diese Klage ab.
Eingangs weist das Gericht darauf hin, dass die Mitgliedstaaten insbesondere auf dem Gesundheitssektor, auf dem sie nahezu ausschließlich zuständig bleiben, über ein weites Ermessen bei der Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verfügen. In diesem Kontext ist die Kontrolle, zu der die Gemeinschaftsorgane befugt sind, auf das Vorliegen eines offenkundigen Beurteilungsfehlers beschränkt.
Wenn sich allerdings ein Mitgliedstaat auf das Vorliegen und die Erforderlichkeit des Schutzes einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse beruft, müssen bestimmte Mindestkriterien erfüllt sein, insbesondere muss die Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern durch Hoheitsakt übertragen worden sein und einen universalen und obligatorischen Charakter haben.
Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall erfüllt. Die irischen Rechtsvorschriften, in denen die PK-Verpflichtungen detailliert definiert werden, sind ein Hoheitsakt. Außerdem bedeutet die Tatsache, dass die Versicherer jedermann, der einen Antrag auf Aufnahme stellt, versichern müssen, dass die Leistungen der privaten Krankenversicherung obligatorisch und universal sind.
Daher konnte die Kommission im konkreten Fall zu Recht die Ansicht vertreten, dass die den PK-Versicherern im öffentlichen Interesse auferlegten PK-Verpflichtungen Bestandteile einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind.
Schließlich stellt das Gericht fest, dass BUPA nicht bewiesen hat, dass der Kommission bei ihrer Feststellung ein Fehler unterlaufen ist, dass das vom RES vorgesehene Ausgleichssystem in Bezug auf die in Erfüllung der PK-Verpflichtungen angefallenen Kosten erforderlich und verhältnismäßig sei. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Feststellung keinem Irrtum unterliegt, dass ein Risikoausgleich auf einem PK-Markt erforderlich ist, auf dem die Versicherer jedermann zum gleichen Preis und ungeachtet des individuellen Risikos versichern müssen, um die Quersubventionierung der Prämien zwischen den Generationen sicherzustellen und zu ermöglichen, dass jeder PK-Versicherer nur die mit dem durchschnittlichen Risikoprofil des Marktes verbundenen Belastungen trägt. Außerdem zielt das RES nur darauf ab, die PK-Versicherer für die finanziellen Folgen der PK-Verpflichtungen zu entschädigen, die es ihnen untersagen, Beitragstarife nach Maßgabe des versicherten Risikos festzulegen und „schlechte" Risiken abzulehnen.
HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet.
Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie auf der Internetseite des Gerichtshofs hier.
Pressemitteilung Nr. 8/08 Februar 2008