Zuständige Behörden der Mitgliedstaaten sollen vor Feinstaub schützen
Betroffene dürfen bei den entsprechenden Stellen Aktionspläne einfordern
Im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte für Feinstaubpartikel können unmittelbar betroffene Einzelne bei den zuständigen Behörden die Erstellung eines Aktionsplans erwirken.
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-237/07, Dieter Janecek / Freistaat Bayern
Die Mitgliedstaaten sind nur verpflichtet, im Rahmen eines Aktionsplans kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte auf ein Minimum zu verringern und schrittweise zu einem Stand unterhalb dieser Werte zurückzukehren.
Die Gemeinschaftsrichtlinie über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität [ABl. L 296, S. 55] in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 [ABl. L 284, S. 1] geänderten Fassung.) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Aktionspläne erstellen, in denen die Maßnahmen angegeben werden, die im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte und/oder der Alarmschwellen kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern und deren Dauer zu beschränken.
Herr Janecek wohnt am Mittleren Ring in München in der Landshuter Allee, etwa 900 Meter nördlich von einer Luftgütemessstelle. Nach den Messergebnissen an dieser Messstelle wurde der Immissionsgrenzwert für Feinstaubpartikel in den Jahren 2005 und 2006 weitaus mehr als 35 Mal überschritten, obwohl das Bundesimmissionsschutzgesetz nicht mehr als 35 Überschreitungen zulässt.
Herr Janecek erhob Klage mit dem Antrag, den Freistaat Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung im Bereich der Landshuter Allee zu verpflichten, damit kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen zu dem Zweck festgelegt werden, die zugelassene Grenze von jährlich 35 Überschreitungen des Immissionsgrenzwerts für Feinstaubpartikel einzuhalten.
Nachdem seine Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, legte Herr Janecek Berufung beim Verwaltungsgerichthof ein. Dieser entschied, dass die betroffenen Anwohner von den zuständigen Behörden die Aufstellung eines Aktionsplans fordern könnten, aber keinen Anspruch darauf hätten, dass dieser geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung der kurzfristigen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte enthalte.
Herr Janecek und der Freistaat Bayern legten gegen dieses Urteil Revision zum Bundesverwaltungsgericht ein. Nach Auffassung dieses Gerichts kann Herr Janecek allein aus dem nationalen Recht keinen Anspruch auf Aufstellung eines Aktionsplans herleiten. Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Einzelner nach dem Gemeinschaftsrecht von den zuständigen nationalen Behörden im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen die Erstellung eines Aktionsplans beanspruchen kann.
In seinem heutigen Urteil bejaht der Gerichtshof diese Frage. Er weist darauf hin, dass es mit dem zwingenden Charakter der Richtlinie unvereinbar wäre, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann.
Daher müssen unmittelbar betroffene Einzelne im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen bei den zuständigen nationalen Behörden die Erstellung eines Aktionsplans erwirken können, auch wenn sie nach nationalem Recht über andere Handlungsmöglichkeiten verfügen sollten, um die zuständigen Behörden dazu zu bringen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu treffen.
In Bezug auf den Inhalt der Aktionspläne führt der Gerichtshof aus, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, Maßnahmen dahin gehend zu ergreifen, dass es zu keinerlei Überschreitung kommt. Ihnen obliegt - unter der Aufsicht der nationalen Gerichte - nur die Verpflichtung, im Rahmen eines Aktionsplans kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und aller betroffenen Interessen auf ein Minimum zu verringern und schrittweise zu einem Stand unterhalb dieser Werte oder Schwellen zurückzukehren.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie auf der Internetseite des Gerichtshofs hier.
Pressinformation Nr. 58/08, 25. Juli 2008