Was heißt Stabilitätspakt genau?
Ziel: Dauerhaft solide Haushaltspolitik der Euro-Teilnehmer
Auch nach dem Eintritt in die Europäische Währungsunion soll gewährleistet sein, dass die Teilnehmerstaaten in ihrer Haushaltsdisziplin nicht plötzlich nachlassen. Bereits der Vertrag von Maastricht sieht deshalb Mechanismen vor, die eine solche Entwicklung verhindern sollen. So verbietet er jede Bevorzugung des Staates bei der Kreditversorgung. Gerät ein Staat durch unsolide Haushaltspolitik in Finanzierungsschwierigkeiten, so kann er nicht auf den automatischen Beistand durch die anderen Mitgliedstaaten rechnen.
Mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichten sich die Mitgliedstaaten, mittelfristig einen ausgeglichenen Haushalt oder sogar einen Haushaltsüberschuss anzustreben. Die Obergrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Neuverschuldung soll auch in der Währungsunion nicht überschritten werden. Der Pakt beruht auf dem Prinzip Frühwarnung und Abschreckung: Ein Überwachungsverfahren und Sanktionen im Falle von übermäßigen Defiziten sollen dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten diese Grenzen auch einhalten. Jeder Mitgliedstaat muss mehrjährige Stabilitätsprogramme mit Zielsetzungen für die Haushaltspolitik erarbeiten.
Die Europäische Kommission und der Europäische Rat werden die Durchführung dieser Programme ständig überwachen und können bei Abweichungen Korrekturmaßnahmen empfehlen. Folgt ein Mitgliedstaat diesen Empfehlungen nicht, können in einer quasi automatischen Prozedur Sanktionen beschlossen werden. Zunächst muss der Staat zinslos einen hohen Geldbetrag als Stabilitätseinlage an die Europäischen Kommission übermitteln, die bei erfolgreicher Konsolidierung zurückgezahlt wird. Verfehlt jedoch ein Land nach zwei Jahren immer noch das Budgelimit, wird die Einlage in eine Geldbuße umgewandelt und fließt in den EU-Haushalt.
Die Höhe der Sanktionen wurde genau festgelegt: Sie beträgt 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) als Sockelbetrag und eine zusätzliche proportionale Komponente, die von der Überschreitung des 3 Prozent-Referenzwertes abhängig ist und maximal 0,5 Prozent des BIP erreicht. Das ist ausreichend hoch, um abschreckend zu wirken. Beispiel: 0,2 Prozent des BIP wären in Deutschland ungefähr 7,5 Milliarden Mark. Der Stabilitätspakt sieht damit im Extremfall Strafen in Milliardenhöhe vor. Eine derartige Geldbuße für Haushaltssünder ist weltweit ohne Beispiel.
Die Europäische Kommission sah sich zum Beispiel in der Haushaltsüberwachung gezwungen, gegen einen Mitgliedstaat strenge Empfehlungen zur Einhaltung der beschlossenen Leitlinien auszusprechen. Der Adressat dieses „blauen Briefs“ ist Irland. Der Grund: Die irische Wirtschaft zeige alle Anzeichen einer konjunkturellen Überhitzung. Die Rate der Geldentwertung sei im Jahresdurchschnitt 2000 auf 5,6 Prozent gestiegen. Dabei bleibe die Haushaltplanung weiter prozyklisch angelegt und dies widerrspreche den verbindlichen Leitlinien der Mitglieder der Euro-Gruppe. Auch Italien, Frankreich und Griechenland erhalten schlechte Noten, ohne dass sie aber mit einem „blauen Brief“ der Kommission rechnen müssen.
Im Zusammenhang mit dem deutschen und französischen Haushaltsdefizit ist in den Jahren 2003 und 2004 allerdings eine Debatte um die Ernsthaftigkeit dieser Regelungen entstanden. Der Machtkampf um die Auslegung
des Euro-Stabilitätspaktes ist höchstrichterlich zu Gunsten der EU-
Kommission entschieden: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte 13. Juni in Luxemburg einen Beschluss der EU-Finanzminister, der die
Strafverfahren gegen die Defizitsünder Deutschland und Frankreich
ausgesetzt hatte. Der Finanzministerrat bot eine enge
Zusammenarbeit an, um den Richterspruch in die Praxis umzusetzen. (Az.:C-27/04)
Der Beschluss der Finanzminister vom November 2003 sei mit EU-
Recht nicht vereinbar, urteilte das Gericht, gegen dessen Spruch
keine Rechtsmittel mehr möglich sind. Der Rat durfte sich nicht von
den Vorschriften des Paktes lösen, hieß es zur Begründung. Der
Beschluss beruhe nicht auf einem Vorschlag der EU-Kommission, wie das
die Regeln vorsehen. Mit der damaligen Entscheidung der Minister waren Strafen für Deutschland und Frankreich in weite Ferne gerückt. Mögliche
Sanktionen in Milliardenhöhe sind nun wieder greifbarer geworden.
Die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen am 19. Juni 2004,
in den Anhang der neuen EU-Verfassung eine Erklärung zum
Stabilitätspakt aufzunehmen. Darin werden die Staaten aufgerufen, in
guten wirtschaftlichen Zeiten Budgets mit Überschüssen zu erzielen.
Die neue Verfassung muss noch in den Mitgliedstaaten ratifiziert
werden, bevor sie in Kraft treten kann.