Schengener Abkommen
Abschaffung der Grenzkontrollen
Das Schengener Abkommen schafft zwischen seinen Mitgliedstaaten die Grenzkontrollen ab und harmonisiert die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit. Von den ursprünglichen fünf Gründungsmitgliedern ist die Zahl der Mitglieder mittlerweile auf 27 angewachsen, wozu auch Nicht-EU-Staaten gehören. Das Schengener Abkommen und seine begleitenden Regelungen wie dem Aufenthaltsrecht oder Grenzschutz sind durch die Europäischen Verträge Teil des institutionellen und rechtlichen Gefüges der EU geworden.
Aktuell: Schengener Abkommen: Einreise-Verbote wegen Corona-Krise
Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn
Die Landgrenzen des Schengen Raums mit mehr als 400 Millionen Einwohnern sind über 7700 Kilometer lang, die Seegrenzen knapp 42 700 Kilometer. Nach Angaben der EU-Kommission gibt es jedes Jahr etwa 1,25 Milliarden Reisen über die Grenzen innerhalb dieser Region.
Europa ohne Grenzkontrollen: Dieser Erfolg wurde nicht innerhalb des rechtlichen Rahmens der EU, sondern in Form eines zwischenstaatlichen Abkommens erreicht. Am 15. Juni 1985 vereinbarten im luxemburgischen Schengen Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Deutschland ein Übereinkommen, dessen Kernsatz lautet: „Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden“. Vom Ort der Unterzeichnung leitet sich der Name „Schengener Abkommen“ ab.
In den folgenden Jahren traten weitere Staaten dem Schengener Abkommen bei, so dass heute insgesamt 27 Staaten dem Schengener Abkommen angehören. Man spricht von den „Schengen-Staaten“ und bezeichnet die Gesamtheit der Mitglieder als „Schengen-Raum“. Dem Schengener Abkommen schlossen sich nicht alle EU-Staaten an, dafür gehören allerdings auch Nicht-EU-Staaten zu den Schengen-Staaten.
Großbritannien und Irland entschieden sich, dem Schengener Abkommen nicht beizutreten. Die EU-Länder Bulgarien, Rumänien und Zypern sind Beitrittskandidaten. Bei den Mitgliedern, die dem Schengener Abkommen, aber nicht der EU angehören, handelt es sich um Island, Liechtenstein, die Schweiz und Norwegen. Andorra, Monaco, San Marino und der Vatikanstaat haben das Abkommen zwar nicht unterzeichnet, führen wegen ihrer engen Beziehungen zu Spanien, Frankreich oder Italien aber auch keine Grenzkontrollen durch.
Am 19. Juni 1990 wurde zur Umsetzung des Schengener Abkommens das Übereinkommen zur Durchführung des Schengener Abkommens (Schengener Durchführungsübereinkommen – SDÜ) unterzeichnet. Die SDÜ hatte das Ziel, durch Harmonisierungen zwischen den Schengen-Staaten in den folgenden Bereichen einen einheitlichen Raum der Sicherheit und des Rechts zu gewährleisten:
- Einheitliche Vorschriften für die Einreise und den kurzfristigen Aufenthalt von Ausländern im Schengen-Raum (einheitliches Schengenvisum);
- Asyl (Bestimmung des für einen Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats);
- Maßnahmen gegen grenzüberschreitenden Drogenhandel;
- polizeiliche Zusammenarbeit und
- Zusammenarbeit der Schengenstaaten im Justizwesen.
Das SDÜ trat am 01. September 1993 in Kraft, die praktische Anwendung seiner Einzelbestimmungen erfolgte jedoch erst nach Schaffung der erforderlichen technischen und rechtlichen Voraussetzungen (Einrichtung von Datenbanken und der dafür erforderlichen Datenschutzbehörden) – diese "Inkraftsetzung" erfolgte am 26. März 1995.
Durch das Schengen-Protokoll zum Amsterdamer Vertrag vom 2. Oktober 1997 wurde die Schengen-Zusammenarbeit mit Wirkung vom 1. Mai 1999 in weiten Bereichen in die Kompetenz der EU überführt und ist damit auch Bestandteil des Vertrags von Lissabon. Für Großbritannien, Irland und Dänemark sind Sonderregelungen vorgesehen. Großbritannien und Irland sind keine Parteien des Schengener Abkommens. Dänemark entscheidet von Fall zu Fall, ob es sich an der Weiterentwicklung des Schengen-Rechtsrahmens auf völkerrechtlicher Grundlage anschließt und das ohne seine Beteiligung zustande gekommene Gemeinschaftsrecht als nationales Recht anwenden will.
Bedeutung des Schengener Abkommens
Durch das Schengener Abkommen gehören Grenzkontrollen im Schengen-Raum grundsätzlich der Vergangenheit an. Bei Reisen zwischen Schengen-Staaten muss zwar ein Ausweisdokument mitgeführt werden, um sich im Ausland ausweisen zu können, beim Grenzübertritt findet jedoch keine Kontrolle mehr statt. Da dem Schengen-Raum auch Nicht-EU-Staaten wie z.B. Norwegen angehören, gelten auch hier die gleichen Freizügigkeitsbestimmungen.
Nicht nur Unionsbürger, sondern auch Angehörige von Drittstaaten profitieren von der neuen Reisefreiheit. Allerdings unter einer Bedingung: Sie müssen ein Aufenthaltsrecht in einem dieser Schengen-Staaten haben. Bürger aus Drittstaaten, die nicht in einem Schengen-Land leben, sondern dort nur ihre Ferien verbringen, brauchen nur noch ein einziges Visum. Dieses Visum wird von einem Schengen-Staat ausgestellt und ist dann für die Einreise und den kurzfristigen Aufenthalt in allen Vertragsstaaten gültig. Die Reisefreiheit für Drittstaatler gilt übrigens nur für Aufenthalte bis zu drei Monaten. Über langfristige Aufenthaltsgenehmigungen entscheidet weiter jeder Mitgliedstaat selbst.
Einig war man sich von Anfang an, dass mit dem Wegfall der Grenzkontrollen eine Reihe von Ausgleichsmaßnahmen verwirklicht werden mussten. Es sollte verhindert werden, dass das grenzenlose Europa mit neuen Risiken auf dem Gebiet der inneren Sicherheit erkauft würde.
Strenge Personenkontrollen an den Außengrenzen sind in der Logik der Vereinbarungen von Schengen ein wichtiges Gegengewicht zum Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen. Für die Frage der Einreise ins Gebiet der Schengen-Staaten sind gemeinsame Regelungen gefunden worden. Die Vertragsstaaten erkennen die von ihren nationalen Behörden erteilten Visa gegenseitig an. Zusätzlich haben sie sich zur gegenseitigen Unterstützung ihrer Polizeidienste verpflichtet. Ein „elektronisches Fahndungsbuch“, das „Schengener Informationssystem“ (SIS), hilft dabei. Das SIS ist ein computergestütztes System, das den Austausch von Daten über gesuchte Personen oder Objekte ermöglicht.
Die zentrale Datenbank befindet sich in Straßburg und sorgt dafür, dass alle nationalen SIS über die gleichen Informationen verfügen. Außerdem dürfen Polizisten unter engen Voraussetzungen fliehenden Verbrechern auch über die Grenze hinweg „nacheilen“. Auch in den Bereichen Waffenrecht und Drogenpolitik konnten die Schengen-Staaten gemeinsame Lösungen finden.
Das Schengener Abkommen hatte von Beginn an eine wichtige Modellfunktion für die gesamte EU. Mit dem Vertrag von Amsterdam ist das Abkommen in den einheitlichen institutionellen Rahmen der Union einbezogen worden. Das freie Überqueren der Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten wurde damit zum EU-Bürgerrecht.
Die Regelungen zur Zuständigkeit bei Asylverfahren wurden 2003 durch die sog. Dublin II Verordnung ersetzt. Heute gilt in diesem Bereich die Dublin III Verordnung (EU Nr. 604/2013).
Vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen möglich
Wie in der Praxis die Regeln zum Europa ohne Grenzkontrollen umgesetzt werden, legt der Schengen-Grenzkodex fest. In diesem Text werden Voraussetzungen genannt, wann ein Staat vorübergehend wieder Grenzkontrollen einführen darf. Nach Artikel 23 kann ein Mitgliedsland "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" ausnahmsweise für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder solange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert.
Der Staat entscheidet souverän und ist nach Artikel 24 nur dazu verpflichtet, die anderen Länder und die EU-Kommission zu informieren und die Gründe zu erläutern. In der Praxis wird diese Klausel bei politischen Gipfeltreffen oder Fußballspielen benutzt, um zum Beispiel ausländische Hooligans die Einreise zu verweigern. Seit der Flüchtlingswelle in den Jahren 2015 und 2016 debattiert die EU über eine Reform der Schengen-Regeln.
Schengener Abkommen: Einreise-Verbote wegen Corona-Krise
Im Falle des sich rasch verbreitendes Coronavirus entschieden sich zahlreiche der 26 Mitgliedsstaaten für eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen und ein Verhängen von Einreiseverboten. Die Folge: EU-Bürgerinnen und Bürger können sich nicht mehr frei in der Europäischen Union bewegen. Der grenzüberschreitende Warenverkehr und der grenzüberschreitende Verkehr von Berufspendlern sind nicht betroffen.
Die Rechtsgrundlage für eine Wiedereinführung von Personenkontrollen an den Landesgrenzen innerhalb des Schengen-Raums legt der Schengener-Grenzkodex fest. Demnach gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ein Land entscheidet sich für eine Wiedereinführung von Personenkontrollen an seinen Landesgrenzen oder der Rat der Europäischen Union empfiehlt, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, die Wiedereinführung von Kontrollen an Grenzen innerhalb des gesamten Schengen-Raums. Die EU-Länder müssen dabei prüfen, inwiefern Einreiseverbote und Grenzkontrollen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit angemessen sind.
Außerdem muss es die Folgen auf die Schengen-Länder, die keine Grenzkontrollen wiedereinführen berücksichtigen. Entscheidet das Land, dass die Wiedereinführung von Grenzkontrollen verhältnismäßig ist, muss es die anderen Mitgliedsländer und die Europäische Kommission informieren. Das soll mindestens vier Wochen vorher passieren. Muss ein Land sofort handeln, entfällt die Frist. Das Land kann dann für 10 Tage Grenzkontrollen wieder einführen. Hält die Bedrohung an, kann der Zeitraum auf bis zu zwei Monate verlängert werden. Das Land muss seine Entscheidung vor der Europäischen Kommission rechtfertigen, indem es die Gründe der Entscheidung offenlegt und Informationen zu Grenzübergangsstellen und Dauer der geplanten Kontrollen angibt.
Bei einer Gefahr für den gesamten Schengen-Raum, kann der Rat der Europäischen Union die Wiedereinführung von Grenzkontrollen von einem oder mehreren Schengen-Ländern empfehlen. Er tut dies, wenn es zu eine mangelhaften Kontrolle an den Außengrenzen des Schengen-Raums kommt. Die Europäische Kommission kann diesen Schritt empfehlen. Die Grenzkontrollen werden in der Regel für 6 Monate empfohlen, eine Verlängerung auf 2 Jahre ist möglich.