Komitologie
Wer beeinflußt wen?
Nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist die Durchführung der Rechtsvorschriften auf Gemeinschaftsebene normalerweise Aufgabe der Kommission (Artikel 202 EG-Vertrag, vormals Artikel 145). In jedem Rechtsakt sind die Durchführungsbefugnisse der Kommission sowie die Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse festgelegt. Häufig ist vorgesehen, dass die Kommission nach einem sogenannten Komitologie-Verfahren von einem Ausschuss unterstützt wird.
Dieser Ausschuss setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen und tagt unter dem Vorsitz eines Vertreters der Kommission. Er ist ein Diskussionsforum, das es der Kommission ermöglicht, vor der Annahme von Durchführungsmaßnahmen einen Dialog mit den einzelstaatlichen Behörden herzustellen. Auf diese Weise vergewissert sich die Kommission, dass diese Maßnahmen den Gegebenheiten in den betreffenden Ländern entsprechen.
Die Verfahren, welche die Beziehungen zwischen der Kommission und den Ausschüssen regeln, beruhen auf Modellen, die zuvor in einem Beschluss des Rates (dem sogenannten Komitologie-Beschluss) festgelegt wurden. Der erste „Komitologie"-Beschluss wurde am 13. Juli 1987 angenommen. Um den Vertragsänderungen - und insbesondere den aufgrund des Mitentscheidungsverfahrens ausgeweiteten Befugnissen des Parlaments - Rechnung zu tragen und das System zur Durchführung von Rechtsakten der EU zu verbessern, das nach Ansicht von Kritikern zu komplex und undurchsichtig war, wurde der Beschluss von 1987 durch den Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 ersetzt.
Mit dem neuen „Komitologie"-Beschluss wird dem Europäischen Parlament im Zusammenhang mit der Durchführung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren erlassen werden, ein Mitspracherecht eingeräumt. In diesen Fällen kann das Parlament nunmehr seine Zustimmung zu Entwürfen für Maßnahmen der Kommission oder gegebenenfalls des Rates verweigern, die seiner Auffassung nach über die in den Basisrechtsakten vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgehen.
Der Beschluss enthält außerdem klarere Kriterien für die Wahl des Ausschusses und vereinfacht die Verfahrensmodalitäten. Die Ausschüsse äußern sich zu Kommissionsvorschlägen für Durchführungsmaßnahmen. Es gibt folgende Arten von Ausschüssen:
- Beratende Ausschüsse: Sie legen der Kommission ihre Stellungnahme vor, die von dieser soweit wie möglich zu berücksichtigen ist. Auf dieses einfache Verfahren wird im allgemeinen zurückgegriffen, wenn es um Angelegenheiten von geringer politischer Tragweite geht.
- Verwaltungsausschüsse: Stimmen die von der Kommission festgelegten Maßnahmen nicht mit der (mit qualifizierter Mehrheit abgegebenen) Stellungnahme des Ausschusses überein, so hat die Kommission sie dem Rat mitzuteilen, der mit qualifizierter Mehrheit einen anderslautenden Beschluß fassen kann. Dieses Verfahren wird insbesondere angewandt bei Maßnahmen zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik oder der Fischereipolitik und zur Durchführung der wichtigsten Gemeinschaftsprogramme.
- Regelungsausschüsse: Die Kommission kann nur Durchführungsmaßnahmen erlassen, wenn der Ausschuß mit der qualifizierten Mehrheit der vertretenen Mitgliedstaaten eine positive Stellungnahme abgegeben hat. Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen nicht mit der Stellungnahme des Ausschusses überein oder liegt keine Stellungnahme vor, wird der Vorschlag an den Rat verwiesen, der dann mit qualifizierter Mehrheit hierüber befindet. Faßt der Rat keinen Beschluss, legt die Kommission schließlich die Durchführungsmaßnahme fest, sofern sich der Rat nicht mit qualifizierter Mehrheit dagegen ausspricht. Dieses Verfahren findet vor allem Anwendung bei Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit oder Sicherheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie bei Maßnahmen, mit denen nicht als wesentlich zu betrachtende Bestimmungen eines Basisrechtsakts geändert werden sollen.
Der Beschluss liefert dem Gesetzgeber auch Kriterien für die Wahl des in die Rechtsvorschrift aufzunehmenden Ausschussverfahrens und erleichtert somit die Annahme von Rechtsakten im Mitentscheidungsverfahren.
Mit dem neuen „Komitologie"-Beschluss ist das Ausschusssystem für das Parlament und die breite Öffentlichkeit durchsichtiger geworden. Der Bürger hat nunmehr einen besseren Zugriff auf Ausschussdokumente, für die jetzt ebenfalls die bei Kommissionsdokumenten angewandte Regelung gilt. Außerdem werden die Ausschussdokumente in einem ab dem Jahr 2001 zur Verfügung stehenden öffentlichen Register erfasst. Mittelfristig soll im Zuge der Informatisierung der Beschlussfassungsverfahren der vollständige Wortlaut der dem Europäischen Parlament übermittelten nicht vertraulichen Dokumente der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus wird die Kommission ab dem Jahr 2000 einen Jahresbericht über die Tätigkeit der Ausschüsse im Vorjahr veröffentlichen.