Deutschland fehlt das Kleingeld - Stahlmangel bremst Münzproduktion
Kleingeld ausgeben
Stuttgart (dpa/lsw) - Obwohl den Einzelhändlern in Deutschland das Wechselgeld ausgeht, stehen in den staatlichen Münzen zahlreiche Prägemaschinen still. Weil der Nachschub mit Stahlrohlingen nur schleppend läuft, können die Münzen ihr Potenzial nicht ausschöpfen, berichtet Alfred Nürbauer, der für die Münzstätten Stuttgart und Karlsruhe und damit 38 Prozent der deutschen Kleingeldproduktion zuständig ist.
In der Münze in Stuttgart sind am Mittwoch von 23 Prägemaschinen vier nicht in Betrieb. «Wir leben von der Hand in den Mund», sagt Nürbauer. «Wir arbeiten alles weg, was da ist, und wir könnten mehr machen.» Die Maschinen in den beiden Produktionshallen laufen auf Hochtouren. Jede Minute spucken sie 750 neue 1-, 2- und 5- Cent- Münzen aus. Euro-Münzen werden zur Zeit nicht hergestellt, Mangel herrscht vor allem beim kleinen Kleingeld. Doch im Lager steht nur noch eine Kiste mit Rohlingen, dann muss der Lastwagen mit Nachschub kommen, wenn die Münze ihre Tagesproduktion von 2,5 Millionen Stück aufrechterhalten soll.
Im Tresor im Keller warten nur wenige Kisten mit Gedenk- und Euromünzen auf den Abtransport. Ende vergangenen Jahres lagerten hier noch rund 300 Tonnen Kleingeld, abgepackt in Kisten zu jeweils rund 600 Kilo. Heute verschwindet die Mangelware Cent-Münzen sofort, denn «die Bundesbank reißt uns das Geld aus den Händen», sagt Nürbauer. «Die rufen jeden Tag fünf Mal an und fragen, wie es aussieht.»
Dabei sei bereits im März 2003 nach einem Gutachten der Bundesbank klar gewesen, dass zur Euro-Umstellung zu wenig Centmünzen geprägt wurden. Damals habe man mit der verstärkten Produktion von 5 Cent-Münzen begonnen, 2er und 1er folgten. Den anderen EU-Ländern gehe es
ähnlich, da auch sie unter dem weltweiten Stahlmangel litten, sagt Nürbauer. Dass Länder wie Österreich Münzen unter anderem auch an deutsche Einzelhandelsketten verkauft haben, sei kein Indiz dafür, dass es dem Nachbarland besser gehe. Das Geld sei einfach dorthin geflossen, wo am meisten dafür gezahlt wurde.
Die Kosten für die Produktion seien trotz der gestiegenen Stahlpreise gleich geblieben, hieß es am Mittwoch aus dem Bundesfinanzministerium. Die geltenden Verträge würden die Preise langfristig festlegen, aktuelle Preisänderungen hätten daher keine Auswirkung.
Neben dem weltweiten Stahlmangel durch verstärkte Aufkäufe aus dem boomenden China belastet ein weiteres Problem die Münzstätten: Die Euro-Umstellung hatte die Geldproduktion massiv aufgebläht, danach wurde sie gedrosselt, berichtet Nürbauer. Viele Hersteller von Stahlrohlingen stellten darauf ihre Produktion auf andere Waren um. Jetzt wo die Nachfrage erneut gestiegen ist, sind viele Zulieferer mit anderen Aufträgen ausgelastet.
Für die Volkswirtschaft sei es deshalb am besten, wenn Verbraucher ihr Kleingeld nicht mehr im Sparschwein horten, sondern an den Supermarktkassen ausgeben, meint Nürbauer. Er glaubt, dass ein Teil des Problems dadurch entstanden ist, dass viele Kunden lieber mit großen Scheinen zahlen und das schwere und teilweise schwierig zu unterscheidende Kleingeld zu Hause lassen.
Auch für viele Händler sind die kleinen Münzen eine Last. «Wir bekommen zentnerweise Ein- und Zwei-Cent-Münzen», sagte Michael Mohr (32), Filialleiter des großen Zeitungsgeschäfts am Frankfurter Bahnhof. «Für die Mitarbeiter wäre die Abschaffung ein Segen.» Rolf Schink, Restaurantleiter beim benachbarten McDonalds, ist auch für die Abschaffung. Allerdings sei sicher auch der psychologische Effekt von aufgerundeten Preisen zu berücksichtigen. Im Handel gibt es aber durchaus auch Stimmen für die Abschaffung.
«Die Abrechnungen am Abend sind aufwändig», sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Lebensmittelhandel, Gerd Härig. Er lehne die Idee, auf die kleinsten Cent-Münzen auch in Deutschland zu verzichten, nicht rundweg ab. «In anderen Ländern
klappt das auch - siehe die Niederlande. Es ist einen Versuch wert», meinte Härig.